Zitat von Hugo im Beitrag #13 … kann die gleiche Musik immer neu werden, je nach Lebensphase? Existiert überhaupt eine definitive musikalische Reife oder besteht das Geheimnis darin, danach zu suchen? Gruß, Ugo
Meiner Ansicht nach für beide Deiner Fragen: ganz deutlich: ja!
Die eigene Lebenserfahrung mit allen Höhen und Tiefen kommt dazu und die Suche ist reizvoll und inhaltsreich.
Bleibt noch die Frage, ob wir alles dann auch adäquat umsetzen können …
Bin ganz bei dir und hoffe sehr, es im hohem Alter auch "adequat" umsetzen zu können Gruß, Ugo
Vielleicht ist noch die Unterscheidung sinnvoll, ob vor Publikum oder für sich selbst gespielt wird.
Danke! ich flog im alten Forum unterm Radar und hab vieles verpasst, schade. Interessantes Thema! Sehr hat mir den Beitrag von Heike gefallen, besonders das Teil wo sie sich über das Üben äußert. Ich übe tatsächlich mehr als ich spiele und bin davon abhängig - und zwar seit immer. Was sich im laufe der Zeit verändert hat, ist es, vielleicht, dass ich beim üben aufmerksamer auf die Tonbildung geworden bin als davor der Fall war. Aber genüßlich und ja "meditativ" workouts zu üben, begleitet mich seit he und je. Gruß, Ugo
Lieber Stefan, Deine Position würde ich eher so verstehen, dass der Musiker ein Mittler zwischen Komposition und Zuhörer ist, der auch „neutral“ quasi nur als Medium die von Komponisten in Noten kodierten Emotionen auf den Zuhörer überleitet.
In o.g. Artikel wird Emotionalität auch bei den Musikern verortet und sogar als Idealfall beschrieben.
Lieber Jörg, vielen Dank für Deine Analyse! Dazu mal eine Frage, die nicht sophistisch gemeint ist: Die reine Betrachtung der Noten und ihres Kontextes - also ohne weitere zusätzliche Beschreibung … wie gelingt es, da z.B. Lebensfreude als Leit-Emotion aus der Cello-Suite herauslesen? Besteht da nicht die Gefahr, dass das fehlinterpretiert ist, und das Stück z.B. einen Mückenschwarm beschreiben soll und so dann doch alles in den Kitsch abdriftet?
Hallo Charlie, von reinem Betrachten habe ich kein Wort geschrieben, es geht um beachten , lesen und verstehen des Note ntextes , aus dem sich eine Interpretation erarbeiten lässt, dazu gehören zum Verstehen Kenntnisse und Wissen in Tonsatz Kompositionslehre Stilistik sowie historisches Wissen und was weis ich nicht noch alles. Ich mag halt keine rein gefühlige Interpretation ohne Beachtung und Verarbeitung all dieser Komponenten, insofern erlaube ich mir dann schon mal das eine oder andere kritische Wort zu rein naiven oder lediglich gitarristischen Darbietungen. Jörg
Lieber Stefan, Deine Position würde ich eher so verstehen, dass der Musiker ein Mittler zwischen Komposition und Zuhörer ist, der auch „neutral“ quasi nur als Medium die von Komponisten in Noten kodierten Emotionen auf den Zuhörer überleitet.
In o.g. Artikel wird Emotionalität auch bei den Musikern verortet und sogar als Idealfall beschrieben.
Lieber Jörg, vielen Dank für Deine Analyse! Dazu mal eine Frage, die nicht sophistisch gemeint ist: Die reine Betrachtung der Noten und ihres Kontextes - also ohne weitere zusätzliche Beschreibung … wie gelingt es, da z.B. Lebensfreude als Leit-Emotion aus der Cello-Suite herauslesen? Besteht da nicht die Gefahr, dass das fehlinterpretiert ist, und das Stück z.B. einen Mückenschwarm beschreiben soll und so dann doch alles in den Kitsch abdriftet?
Hallo Charlie,
Du scheinst zu glauben, dass eine bestimmte Musik einer bestimmten Emotion entspricht, quasi als objektives Gegenstück. Deshalb versuchst du, aus einer Cello-Suite Lebensfreude als Leitemotion herauszulesen. Diesen Ansatz halte ich für wenig erfolgversprechend.
Auch der von dir angeführte Artikel wird hier nicht konkret.
ZitatDas Gefühl aufs Orchester übertragen Beim Dirigieren gibt es einen technischen und einen emotional-energetischen Aspekt. Der zweite Aspekt fasziniert das Publikum weit mehr, ist aber schwer in Worte zu fassen. Heil versucht es so: «Der Dirigent hat eine Vision der Musik, die er physisch auf das Orchester projiziert.» Auf welche Weise er Emotionen ausdrücke, die von den Musizierenden intuitiv verstanden werden, dafür müsse jeder seine eigene Körpersprache finden. Wie unterschiedlich das geschieht, sieht man bei den ganz Grossen ihres Fachs, wie etwa Richard Strauss, der eine eher nüchterne Art des Dirigierens pflegte, oder Herbert von Karajan, der oft mit geschlossenen Augen vor dem Orchester stand. «Im Idealfall», sagt Heil, «schafft es der Dirigent oder die Dirigentin, dass die einzelnen Musikerinnen und Musiker über sich hinauswachsen und gemeinsam auf einer emotionalen Welle surfen.»
Dass Emotionen im Spiel sind, ist also klar, aber es wird kein Wort darüber gesagt welche, oder ob es überhaupt möglich oder auch nur nötig ist, Inhalte herauszulesen. Natürlich bin ich beim Spielen emotional investiert. Es liegt mir aber nichts ferner, als durch bestimmte Moden ein Gefühl auszudrücken.
Mal wieder ein Extrembeispiel einer Emotion, mit dem die Argumentation vielleicht klarer wird: Langeweile.
Musikstücke lösen beim Hörer Langeweile aus. Nicht jedes Musikstück bei jedem Hörer, aber viele Musikstücke bei manchen Hörern.
Was passiert hier? Ist Langeweile die Emotion, die vom Musikstück transportiert werden soll? Langweilen sich die Musiker beim Spielen? Hat sich der Komponist beim Komponieren gelangweilt und wollte diesen Gefühl Ausdruck verleihen?
Du siehst, man begibt sich sehr schnell auf dünnes Eis, wenn man versucht, konkrete Emotionen in ein Musikstück hinein zu deuten. Nicht mehr und nicht weniger will ich mit meinen Beispielen sagen. Dass man beim Musizieren Gefühle als psychische Erfahrungen und Reaktionen macht, bzw. Musik dazu geeignet ist, Gefühlsregungen hervorzurufen, steht außer Frage. Ich glaube nur nicht an den Transport von konkreten Inhalten.
„Cosmic Pulse and Joy“ als der Cello-Suite innewohnende Emotion arbeitet B. Zander im oben verlinkten Video bis Minute 12 heraus, und spricht es in Minute 11ff auch so aus. Es war nicht meine Mutmaßung.
Und es ist so beeindruckend, wie sich das Stück in der Masterclass wandelt, von B. Zander emotional geführt.
Nein, man kann keine konkrete Emotion transportieren, was Du zurecht beschreibst, Stefan, das wäre Gedankenmanipulation, auch hier ist „Joy“ natürlich für jeden anders, aber vermutlich doch ähnlich?
Emotionen als Selbstzweck übersteigert über die Musik zu legen, ja, davor warnst Du, Jörg, was absolut nachvollziehbar ist.
Dann gibt es ja noch "Musik für Interpreten" und "Musik für Zuhörer". Viele Zuhörer langweilen sich bei Chaconnen und Passacaglien, viele Spieler haben dabei große Freude. Dann gibt es die berühmte "schönsten Stücke", die alle lieben, mich aber eher anöden, weils sie mir zu abgelutscht sind. Aber nee, "hach, spiel doch mal". Naja, soll dann aber trotzden schön klingen, und man gibt sich Mühe.
Bei der erwähnten Cello-Suite (und vielen anderen Stücken) sehe ich eine andere Art Emotion. Hier ist es mMn völlig irrelevant, was Bach dabei gefühlt oder ausgedrückt haben will. Bei diesen Dingen muss man versuchen, das Stück mit Seele zu füllen damit es nicht langweilt oder nervt. Welche Emotion genau das sein soll – muss dem Interpreten überlassen bleiben.
Häufig bleibt Emotion auch völlig außen vor, gerne bei Stücken, die vor allem schnell bzw. sehr schnell gespielt werden. Da geht es dann um Virtuosität, bei der oft andere musikalische Aspekte auf der Strecke bleiben, wenn's schlecht läuft.
"Musikstücke lösen beim Hörer Langeweile aus. Nicht jedes Musikstück bei jedem Hörer, aber viele Musikstücke bei manchen Hörern."
Ich bin ja auch der Ansicht, dass man nicht jedem Musikstück ein bestimmtes Gefühl ablauschen oder zuordnen kann bzw. sollte, aber Musik findet doch immer in einem kulturellen Kontext statt. Vielleicht langweilen sich manche, wenn sie Fado hören, dass Fado aber Ausdruck eines bestimmten Lebensgefühls darstellt (oft genug verkitscht), wird zumindest der Kenner portugiesischer Volkskultur nicht bestreiten. Ich bin kein Musik- und auch kein Kulturtheoretiker, aber ich denke, das lässt sich durchaus auch auf andere Musikstile , Epochen übertragen. Bspw. dürfte auch der Minnesang ein codiertes, sagen wir mal kalkuliertes "adressatenbezogenes System" gewesen sein und als solches auch verstanden worden sein. Vielleicht habe ich das überinterpretiert, aber bei Dir, Stephan, wirkt es so, als handele es sich beim Komponisten, Künstler und Zuhörer um Monaden, die völlig unabhängig voneinander "funktionieren" und eben nichts transportiert (Komponist / Künstler) bzw. erwartet (Künstler/ Publikum) wird . Ich denke, so funktioniert Kultur, und die Musik als Teil derselben, nicht. Vielleicht ist das aber auch gar nicht strittig. Allerdings: Der kulturelle Kontext macht meiner Ansicht dann auch eine "mimetische" Aneignung gegenüber eine "analytisch distanzierten" zu einer möglicherweise riskanten Unternehmung. Grundsätzlich finde ich es daher auch nicht verwerflich, wenn man die Kontextualisierung Kontextualisierung sein lässt, um eben - wie Ollo sagt, das Stück mit der (eigenen) Seele zu füllen. (Hoffentlich hat das jetzt das Ganze nicht noch mehr kompliziert)
Wie Stefan oben schon schrieb, es geht ja nicht darum wer Recht hat.
Ich danke Euch ganz herzlich für die geschilderten Aspekt und Sichtweisen! Für mich gerade in der Vielfalt und Tiefe ganz wertvoll, um meine Position dazu immer wieder zu hinterfragen und neu auszurichten!
Sowie Charlie eben, möchte ich mich auch recht herzlich bedanken für die viele Gedanken und Erfahrungen die hier zu Tage kamen. Viele davon nehme ich mit. Gruß, Ugo
Zitat von Hansric im Beitrag #12"Insofern sollte jedem Stück genau in Wort und/oder Bild beigefügt sein, was in den Ebenen darunter liegt und herausgearbeitet werden soll."
Lieber Charlie, könntest Du - vielleicht an einem Beispiel - konkreter beschreiben, wie das im Einzelnen aussehen soll? Grüße Hans
Lieber Hans, Deine Frage habe ich nicht vergessen, entschuldige, wenn ich erst jetzt etwas dazu schreibe. Zum Zeitpunkt Deiner Frage hatte ich noch keine Einschätzung dazu.
Ein Stück von Maria Linnemann gibt mir derzeit eine neue Perspektive. Hier einmal das Stück, von ihr selbst komponiert, selbst gespielt, selbst in Worten dazu etwas geschrieben und selbst mit Bildern hinterlegt:
Also, mehr emotionale Hinterlegung durch die Komponistin geht wohl nicht! Und nun die etwas von mir überspitzte Frage von Dir, Hans: und nun, was nützt das?
Da ich das Stück zurzeit gerne spiele meine ehrlich Antwort dazu: weniger als von mir gedacht, aber doch mehr als wenn es diesen Bezug zu Norwegen nicht gäbe, da ich zwar die Emotionen von Frau Linnemann so nicht übernehmen kann, wohl aber eigene Naturerlebnisse in Gedanken hinterlegen kann. Dazu hätte mir aber auch der Titel des Stückes und der Hinweis auf Norwegen ausgereicht …
Sorry, ich schon wieder: und wie hinterlegst du deine Naturerlebnisse, wenn du das Stück spielst?
Ich frage tatsächlich aus echtem Interesse, weil so viele Leute Musik und Bilder miteinander verbinden. Mir ist das völlig fremd. Wenn das Stück „Pinguine in der Antarktis“ oder "Pflaumen am Apfelbaum" heißen würde, glaube ich nicht, dass ich es anders spielen würde.
Zitat von Docsteve im Beitrag #44Sorry, ich schon wieder: und wie hinterlegst du deine Naturerlebnisse, wenn du das Stück spielst?
Ich frage tatsächlich aus echtem Interesse, weil so viele Leute Musik und Bilder miteinander verbinden. Mir ist das völlig fremd. Wenn das Stück „Pinguine in der Antarktis“ oder "Pflaumen am Apfelbaum" heißen würde, glaube ich nicht, dass ich es anders spielen würde.
Viele Grüße Stephan
Mein persönlicher Ausgangspunkt war ja die schwiemelige Novemberkerzengemütlichkeit von Dia Noviembre und dann der Hinweis, dass es in einem ganz anderen Zusammenhang steht. Das fand ich im Jörg‘schen Sinne fatal, weil diese gefühlsduselige Überhöhung absurd wird.
Deine Sichtweise, lieber Stefan, würde ich eher in der Richtung verstehen, dass eben alles in den Noten steht und erweitert im Sinne von Jörg Zusatzinformationen zum Verständnis im historisch-musikalischen Umfeld zu finden sind.
Wenn ich Sheep/Norwegian lese, kann ich, wenn ich das Stück spiele, versuchen, mich an die Momente zu erinnern, die ich selbst mit Tieren und Weidehaltung erlebt habe. Für mich funktioniert das ganz gut, aber, spiele ich es dadurch anders? Ich würde meinen ja, weil ich mittlerweile z.B. bei Dia keine Kerzen sondern eher Regen und Zweifel assoziiere und so tendenziell etwas härter und kälter spiele.
Deine Pinguine in der Arktis und die Apfelbäume finde ich ganz großartig! Sowohl humorvoll als auch treffend! Danke für diesen Gedanken bzw. Hinweis!
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13.12.2023 15:50
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